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Format: Hörbuch
Jahr: 2010
Spieldauer: 04:52 Std
Genre: Fantastisch, Drama
Klappentext: Arne hat eine liebevolle Frau, ein schönes Haus, einen guten Job – sein Leben scheint perfekt. Doch ein Moment verändert alles. Arne wird vom Blitz getroffen. Als er aus der Bewusstlosigkeit erwacht, kann er die Gedanken anderer Menschen hören. Seine Frau hat ihn nie geliebt, seine Freunde machen sich über ihn lustig, sein Chef verachtet ihn. Arnes Existenz stürzt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Kurzerhand lässt er alles hinter sich und begibt sich auf die Suche nach dem richtigen Leben.
Meine Meinung: Arne Stahl wird vom Blitz getroffen und stellt fest: er kann seitdem wohl Gedanken lesen. Leider ist nur von Lügnern, Heuchlern, Fieslingen und Perversen in Form von Frau, Kollegen und bestem Freund umgeben und blickt in alle möglichen menschlichen Seelen-Abgründe hinein. Das ist erst mal ein Schock, klar! Leider hat man den Eindruck, Domian hat sich möglicherweise bei „Domian-Anrufer-Schicksalen“ bedient, um das Buch ein wenig „anzureichern“ – denn das ein oder andere wird, ohne die Handlung voranzutreiben, einfach eingeworfen: die arme Klofrau mit den toten Kindern, der alte Mann, der niemanden mehr hat, der Familienvater, der es ab und zu „mit Männern“ braucht, der gehörnte Ehemann, der versehentlich seinen Nebenbuhler umbringt, der ehemalige Kumpel, der pädophil ist und viele mehr. Die Charaktere bleiben aber sehr eindimensional und farblos und sind quasi einfach in die Haupthandlung hineingeparkt, aber egal – man „sieht“ sie danach eh nicht wieder.
Überraschend fand ich schon zu Beginn, daß Arne nicht ein einziges Mal sein Wissen auf Richtigkeit überprüft: sind es überhaupt die Gedanken anderer, oder hört er einfach nur „Stimmen“? Das wäre es meiner Sicht deutlich naheliegender zu glauben, und zeigt für mich, daß Domian sich in seinen eigenen Protagonisten wenig eingefühlt hat. Auch konfrontiert Arne niemanden auch nur ansatzweise mit seiner Fertigkeit, zieht auch vor den unsympathischsten Gestalten (Chef, Typ im Café) den Schwanz ein und schlägt keinerlei Nutzen oder wenigsten hier und da mal ein bißchen Genugtuung aus seinem Wissen heraus. Nein, Arne läßt sich sogar noch aus dem Café pöbeln und murmelt noch ein „Tut mir leid“ hinterher. Dabei wird er nicht sympathischer, sondern einfach nur langweilig (seine Frau Anna hatte ganz recht!). Immerhin fängt die Geschichte schon im Krankenhaus an, wo er auch sofort die Gedanken des Arztes hören kann, man muß also nicht ellenlang warten, bis ihn der Blitz umhaut.
Keine der spannenden, sich eröffnenden Möglichkeiten seiner Gabe nutzt Arne (oder Domian) auch nur ansatzweise, sondern flieht in eine Blockhütte nach Finnland, um die Bosheit der Menschen nicht ertragen zu müssen und wo die Handlung nur noch dahintröpfelt. Schade, die erste Hälfte fand ich echt noch spannend, weil ich eben auf die vielen Möglichkeiten gierte: wie wird er seine Gabe nutzen? Gibt es z.B. weitere Gedankenleser, denn wenn es einen gibt..? Werden eröffnete Handlungsstränge noch mal aufgenommen/zusammengeführt? Wird es ein überraschendes Ende geben? Wenn Arne schon so ein Lieber ist, wird er einen Weg finden, seine Gabe zum Guten einzusetzen? Verbrecher überführen, Geld erwirtschaften und guten Zwecken zuführen, Trost spenden? Tja…. nix davon!
Obwohl der offen bekennend bisexuelle Domian es nicht müde wird zu betonen, wie hetero zumindest sein Protagonist Arne doch ist, ist doch die Entwicklung der Männerfreundschaft oder eher Männerliebe am Ende sehr unglaubwürdig und schnulzig (inkl. auf die Stirn-Geküsse), gipfelnd darin, den armen Gutmensch Arne von seiner ungeliebten Gabe zu befreien: „Die Liebe hatte den Fluch zerstört“ (das klingt wie ein billiges Fantasy-Machwerk). Da wäre sogar ein Ich-bin-DOCH-schwul-Outing von Arne deutlich überzeugender gewesen… und damit findet das Buch sein überraschend plattes und schnelles Ende, was mir nach fast 5 Stunden sehr gelegen kam.
Die Geschichte ist aus Arnes Sicht erzählt und Domian tat sicher gut daran, das Buch selbst zu lesen. Seine Stimme fand ich aber nicht wirklich geeignet und passend: etwas dröge. Schlimm, wenn er solche Namen wie „Dirk“ und „Birte“ liest (mit sehr betontem i und r)… nun, da kann er nix für. Bei der Bewertung wollte ich erst 4, dann 3 Punkte geben, beschloss nach dem Ende aber nur 2 zu verteilen. Das Wort „cruisen“ kommt bestimmt 5x vor, mindestens… und ab der Stelle, wo er zum ersten Mal den Club betrat wird es uninteressant für mich. Und: Wer hat schon so viel Geld, wie der „Arne“, um aus allem auszusteigen?? Und am Ende rotzt Domian eine wundersame Heilung hin.
Lieblingswort:
Erzähler / Arne: „Goldklarer Himmel“
Bewertung:
Faszit: Zu Anfang hat es mich auch wirklich gefesselt, aber mit der Zeit konnte ich den Gedankengängen und Handlungen des Protagonisten immer weniger abgewinnen. Schließlich fand ich das Buch nicht nur gähnend langweilig, sondern auch eindimensional, flach und naiv. Denn einfach alle Personen, mit denen der Akteur des Romans in Kontakt kommt, scheinen nach außen eine nette Maske zu tragen und innerlich boshaft und verlogen zu sein. Und obwohl Arne in dem Buch als tiefgründig und sinnsuchend beschrieben wird, ist er nicht in der Lage, die Gedanken seiner Mitmenschen zu relativieren (denkt nicht jeder von uns einmal: „Ich könnte dich umbringen“, und meint das selbstverständlich nicht so?). Außerdem fehlt ihm jede Form der Selbstreflektion, sonst würde er feststellen, daß er sich in keiner Weise von seinen Mitmenschen unterscheidet. Auch die sogenannte Sinnsuche in der Einsamkeit ist für mich eher eine Flucht, zumal sein immerhin ca. einjähriger Aufenthalt im unwirtlichen und teilweise bitterkalten Finnland wie ein Campingaufenthalt im Bayrischen Wald daherkommt. Ich glaube nicht, daß Herr Domian jemals eine Grenzerfahrung dieser Art gemacht hat, noch dass er sich auch nur ansatzweise in die alltäglichen psychischen, physischen und strategischen Überlebensprobleme einer solchen Situation hineindenken kann. Umso schöner wäre eine entsprechende Recherche und Beschäftigung mit diesem Thema gewesen – dann wäre seine Geschichte auch nachvollziehbarer. Am Ende zeigt sich dann ja auch, daß im Grunde alles egal ist, weil sich alle Probleme ja von ganz alleine lösen. Ganz nach dem Motto: Nur die Liebe zählt. Mir war das zu platt, und es hat sich mir nichts erschlossen, außer der Bestätigung, daß Tiefgang eben auch relativ ist.